ID-Bestimmung von Oligonukleotiden

Eine Mitarbeiterin in Laborkleidung die an einer Maschine im Labor arbeitet

Schnell, sicher und effizient: die neue Vetter ID-Bestimmung von Oligonukleotiden

Interview mit Dr. Melanie Zerulla-Wernitz, Leiterin Analytical Science Laboratory und Dr. Alexandra Heussner, Laborleiterin Analytical Science Laboratory, Abteilung Project & Service Analytics

Warum beschäftigen Sie sich mit Oligonukleotid Analytik im Analytical Science Laboratory (ASL)?

MELANIE ZERULLA-WERNITZ: Oligonukleotide (von griechisch oligo = wenige) sind aus wenigen Nukleotiden aufgebaute Oligomere. Im Gegensatz zu diesen Molekülen besteht unsere DNA oder RNA aus sehr viele Nukleotiden, die miteinander verbunden sind.

Oligonukleotide sind eine noch recht neue therapeutische Substanzklasse und bislang gibt es für sie noch keine verbindlichen regulatorischen und analytischen Standards. Daher gibt es verschiedene Initiativen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen.

Vetter, insbesondere das ASL hat sich diesen Fragen ebenso gestellt. Eine Kernaufgabe unseres Labors ist es, analytische Prozesse und Verfahren kontinuierlich zu überprüfen, zu optimieren und neue Prozesse zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise auch Identitätsprüfungen zur Freigabe von Ausgangsstoffen.

Auch das European Pharma Oligonucleotide Consortium (EPOC, ein Zusammenschluss führender Pharmaunternehmen) hat es sich zum Ziel gesetzt harmonisierte Lösungsvorschläge in Abstimmung mit den Behörden für die Herstellung und Prüfung von therapeutischen Oligonukleotiden zu entwickeln [1].

Es war deshalb klar, dass wir für die Identitäts-Bestimmung (ID) von Oligonukleotiden dauerhaft bessere und vor allem standardisierte Analysemethode benötigen, um für unsere Kunden effizienter und trotzdem hochspezifisch testen zu können.

Warum wird eine ID-Bestimmung durchgeführt?

MELANIE ZERULLA-WERNITZ: Eine ID-Bestimmung wird im Rahmen des Wareneingangs von allen Wirk- und Hilfsstoffen durchgeführt. Sie ist essentiell, um die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. So wird zum einen sichergestellt, dass die angelieferte Substanz auch wirklich diejenige ist, die vom Kunden definiert wurde. Zum anderen wird ausgeschlossen, dass es auf dem Transportweg zu einer Manipulation gekommen ist.

Daher muss die vom Wirkstoff- und Hilfsstoffhersteller bestimmte ID von Vetter vor der Verwendung bestätigt werden. So wird also der Grundstein gelegt, dass ein Arzneimittel erfolgreich produziert werden kann. Da die entsprechende Analyse eine so hohe Bedeutung hat, ist die ID-Bestimmung behördlich vorgeschrieben.

Eine Mitarbeiterin sitzend in Laborkleidung vor einer Maschine im Labor

Wie werden Identitäten bestimmt?

MELANIE ZERULLA-WERNITZ: Je nachdem um welche Substanz es sich handelt, kommen unterschiedliche Analysemethoden zum Einsatz. Hilfsstoffe, wie z. B. Salze, Säuren oder Laugen, werden mit in Arzneibüchern beschriebenen Methoden einer chemischen Identitätsprüfung unterzogen. Bei Proteinen werden aufwändige bioanalytische Methoden, z. B. Kapillarelektrophorese, eingesetzt.

Oligonukleotide sind eine komplett andere Substanzklasse, daher sind die gängigen, etablierten Methoden nicht optimal geeignet für die ID-Bestimmung. Entscheidend ist hier eine spezifische Bestimmung von Masse und Sequenz des Oligonukleotids.

Eine Möglichkeit zur ID-Bestimmung der Oligonukleotide ist daher die Sequenzanalyse (z. B. Massenspektrometrie), welche bereits von den Wirkstoffherstellern routinemäßig eingesetzt wird.

Bei Wareneingang muss bei Vetter die ID-Bestimmung des Wirkstoffherstellers bestätigt werden, vorzugsweise durch eine Sequenz-spezifische Methode. Hierfür ist eine erneute, sehr aufwändige massenspektroskopische Analyse nicht notwendig.

Zu welcher Lösung ist Vetter in Bezug auf die ID-Bestimmung von Oligonukleotiden gekommen?

ALEXANDRA HEUSSNER: Wir haben uns intensiv mit Oligonukleotiden beschäftigt, um ihre speziellen Anforderungen und Herausforderungen zu verstehen.

Unsere Idee war die Entwicklung einer Plattform-Methode basierend auf der Schmelzpunktbestimmung. Als Schmelzpunkt ist dabei die Temperatur definiert, bei der die Hälfte der Oligonukleotide als Einzelstrang und die andere Hälfte als Doppelstrang vorliegt.

Die Schmelzpunktbestimmung ist sequenzspezifisch. Wir wollten zeigen, dass diese Methode robust und sensitiv genug ist, um unseren Anforderungen, denen unserer Kunden und denen der Behörden zu entsprechen. Dies ist uns auch gelungen.

Wie genau funktioniert Ihr Verfahren?

ALEXANDRA HEUSSNER: Für die Schmelzpunktbestimmung wird ein UV-Spektrometer benötigt, welches für den Einsatz in der Pharmabranche geeignet ist. Das bedeutet, dass neben der notwendigen Messgenauigkeit auch die behördlich geforderte Datensicherheit und Datenintegrität gewährleistet sein muss. Nach einer aufwändigen Suche haben wir ein Gerät gefunden, das alle Anforderungen erfüllt.

Die Messung selbst dauert nur ca. 15 Minuten. Zudem sind parallele Messungen möglich, das die Schnelligkeit und Effizienz weiter erhöht.

Die Analyse läuft wie folgt ab: Es wird kontinuierlich die Absorption einer Probe unter UV-Bestrahlung gemessen, während gleichzeitig die Probentemperatur definiert erhöht wird (Abbildung 1). Die Absorption steigt stetig bis zu einem Maximum an. Der Wendepunkt der Kurve ist der Schmelzpunkt (Tm) der Substanz, d. h. 50 % der Doppelstränge liegen dann als Einzelstränge vor.

Dieser Schmelzpunkt ist für Oligonukleotide sequenzspezifisch und wie wir jetzt wissen, ein robuster Parameter. Hiermit lässt sich die ID, wie gefordert, bestätigen.

Darstellung einer exemplarischen Schmelzkurve
Abbildung 1: exemplarische Schmelzkurve

Wieso sind Sie sicher, dass die ID eindeutig ist?

ALEXANDRA HEUSSNER: Wir haben unsere Methode natürlich intensiv geprüft. Jedes Oligonukleotid besteht aus einer festgelegten Sequenz aufeinanderfolgenden Nukleotide. Wir haben uns also die Frage gestellt: wenn ein Fehler in der Sequenz auftreten würde, der das Oligonukleotid nur minimal verändert, würden wir es merken?

Ja, das würden wir! Eine detaillierte Beschreibung der Ergebnisse ist in Form einer Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift derzeit in Erstellung. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse bereits einem Fachpublikum vorgestellt [2].

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

MELANIE ZERULLA-WERNITZ: Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Verfahren, der erfolgreiche Weiterentwicklung und der bereits erfolgten Analysearbeit haben wir ein umfassendes Verständnis für alle Parameter entwickelt und unsere Kompetenzen und Erfahrungen im Bereich Oligonukleotide und der speziellen Analytik sehr vertieft.

Schon jetzt kann in Zusammenarbeit mit unseren Kunden und der Vetter Qualitätskontrolle das Vetter Verfahren als effiziente Methode zur Identitätsbestimmung von Oligonukleotiden verwendet werden.

Wir haben die Analysengeräte, das Know-how und die trainierten Mitarbeiter.

 

[1] Capaldi D. et al., Nucleic Acid Ther. 2020, 30(5): 249-264. Strategies for identity testing of therapeutic oligonucleotide drug substances and drug products.
[2] Schuler S. et al., Challenging oligonucleotide ID testing. 8th Annual Oligo Networking Virtual Event, 23.-25.03.2021.

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